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# fontSize 3.5em
Der schweizer Hirte
# fontSize 1.5em
Nun sehet, wir sind bei ihnen, und der herrlich schöne Mann empfängt uns mit folgenden Worten: Seid mir gegrüßt in der Reinheit des Wortes des Herrn! Darf ich, der unterste Knecht dieser Wohnung, euch fragen, was für ein reiner und guter Sinn euch hierher geführt hat?
Da ihr hier nicht zu reden vermöget, so muß schon ich an eurer Statt das Wort führen. – Lieber Freund! Deine Frage ist gerecht und billig, und der Ton deiner Rede ist voll reiner Weisheit der Himmel, aber siehe, eines mangelt deinen Worten, und dieses eine ist – die Liebe!
Du bist zwar herrlich bestellt in deiner Haushaltung, und deiner reinen Weisheit entstammt dein ganzes herrliches Besitztum; aber siehe, ein Sandkörnchen im Reiche der Liebe des Herrn wiegt schon unendlichfach alle diese Herrlichkeit auf!
Siehe, diese da mit mir sind Schüler der Liebe, und ich bin ihnen aus der allerhöchsten Liebe ein Führer im Namen des Herrn; und von diesem Gesichtspunkte aus erkenne und erfasse uns! Siehe, Reinheit der Sitten ist eine herrliche Tugend, und der Gerechte ist ein Freund des Herrn;
aber siehe, so einer da ist ein Sünder und tut Buße aus der Liebe zum Herrn, der ist Ihm angenehmer denn neunundneunzig solche, wie du einer bist in aller Reinheit deiner Sitten, der da nie bedurft hat der Buße.
Und du, reines Weib dieses reinen Mannes! Wahrlich, wie ein allerreinster Stern war dein Lebenswandel, und eine nie gebrochene Keuschheit war dein Weg in dieses herrliche Reich! Aber sieh, im ewigen Morgen wohnen gar viele deines Geschlechtes, welche gar oft wider ihr Fleisch gesündigt haben.
Diese Sünderinnen aber haben ihre Schuld erkannt, demütigten sich allerreuigst vor dem Herrn, und erbrannten dann in großer Liebe zu Ihm also sehr, daß sie nichts anderes suchten, als nur so viel Gnade von Ihm, daß Er Sich ihrer erbarmen und sie nach dem Tode aufnehmen möchte zu den Allergeringsten unter denen,
die sich Seiner unendlichen Erbarmung zu erfreuen hätten! Und siehe, solche wohnen nun allerseligst in der beständigen Gesellschaft des Herrn in dem ewigen Morgen! Wahrlich, herrlich und überaus prachtvoll ist hier alles; aber eine allergeringste Strohhütte im Reiche, da der Herr wohnt, steht unendlichmal höher, denn alle diese Pracht!
Nun sehet, wie dieses Paar sich auf die Brust schlägt, und er und sie sprechen einstimmig: O mächtige Freunde des Herrn, ihr habt uns mit wenigen Worten Unendliches gesagt. Wir haben es wohl gar lange schon geahnt, daß es noch etwas Höheres und Erhabeneres geben müsse,
als dieses da ist, aber wir wußten keinen Ausweg, denn unsere Weisheit wußte sich hier das Erhabenste zu schaffen. Jetzt aber wissen wir, daß solches alles nur eine Zulassung war, damit wir daraus stets mehr und mehr die Liebe hätten erkennen sollen.
Sage uns daher, was wir tun sollen, um nur eines Tropfens der eigentlichen Grundliebe gewürdigt zu werden.
Nun sage ich zu ihnen: Lieber Freund und du, liebe Freundin! Habt ihr nie gehört, was da der Herr gesprochen hat zum reichen Jüngling: „Gib alles hintan; du aber komme und folge Mir nach!?“
– Ferner, habt ihr nicht gelesen die Stelle im Buche, wo der Herr einen ewig gültigen Vergleich aufgestellt hat, als zu gleicher Zeit vorne im Tempel ein gerechter Pharisäer dem Herrn seine Werke, vollkommen nach dem Gesetze Mosis, vortrug, während im tiefen Hintergrunde ein armer Sünder auf seine Brust schlug und sprach:
„O Herr! Ich bin nicht würdig, meine Augen zu erheben empor zu Deinem Heiligtume!“ Welchen hat hier der Herr gerechtfertiget? Ihr saget, den demütigen Sünder. Nun sehet, aus diesem könnet ihr nun gar leicht den eigentlichen Weg zum Herrn finden.
Also tut auch ihr, denn das Wort des Herrn hat auch seine volle Geltung in den Himmeln und das für alle Ewigkeiten!
Sehet ferner: Vor Ihm gibt es nichts Reines und nichts Gerechtes; denn Er allein ist rein, gerecht, gut und barmherzig! Haltet euch nicht für vollkommen, sondern tut, was der Sünder in dem Tempel tat, und was da tat ein euch wohlbekannter Mitgekreuzigter des Herrn,
und ihr werdet dann erst die wahre Rechtfertigung, welches ist die alleinige Liebe zum Herrn, finden. Werdet arm, ja werdet vollkommen arm, damit ihr reich werdet in der Liebe des Herrn!
Nun sehet, das Paar steht auf und kehrt weinend zurück; und nun sehet, wie sich alles vor dem Palaste versammelt und aufmerksamst diesem Großelternpaare zuhört.
Sehet, wie sie alle ihren Schmuck niederlegen und auch ihre herrlichen Kleider vertauschen mit ganz dürftiger Leibesbedeckung, und wie das Urgroßelternpaar den drei Ärmsten alle diese Herrlichkeit überantwortet, und nun, wie ihr sehet, sich eine große Gesellschaft von mehreren hundert Köpfen eiligst zu uns herausbegibt.
Quelle: Geistige Sonne, Band 1, K. 44